Verwechselungen!

Eine Geschichte von Hans-Uwe Seib

Dieser Tage wollte ich mit unserem „Heimat-Bus“ 184 zum Eidelstedter Platz fahren, um etwas zu besorgen. Meine letzte Selbstkontrolle vorm Spiegel im Flur signalisierte wieder: „Toller Kerl! Sieht immer noch aus wie Sean Connery“ Ja, der sieht mir nämlich ähnlich, fand meine Herzallerliebste, als wir uns damals in 1967 kennenlernten! „Nach dem verrenken sich alle jungen Frauen wieder ihre Köpfe!“ Na ja, und die älteren ja sowieso! Meine Gisela ist bestimmt froh, dass ich – – – na, und so weiter! – Meinen neuen Gehstock, den mir mein Orthopäde verschrieben hat, brauch ich heute nicht. Mein Schwindel, gegen den er mir helfen soll, hat wohl heute „Urlaub“, ist jedenfalls nicht da.

Also denn man mit federndem, festen Schritt los. Ein Nachbar: „Moin Uwe, was´n mit dir los? Du gehst ja so krumm!“ „Moin, nö, geht schon wieder, suchte bloß was in meiner Hosentasche.“ „Ach so, na denn!“ Auf dem Weg zum Bus kommt mir ´ne mittelalte, flotte Deern entgegen. „Moin Uwe!“ Sie strahlt mich an: „Auch Moin!“ Siehste, geht doch, die würd´mich nehmen! – Aber wie hieß die man noch? – Alzheimer? – Nee, vergessen. Oder hab´ ich da was verwechselt?

An der Haltestelle muss ich acht Minuten warten. Etwas hinsetzen? Nee, auf keinen Fall, da sind inzwischen zwei flotte Bienen erschienen, da kann ich mich doch nicht hinsetzen! Wie sieht das denn aus? Bestimmt so undynamisch! Nee, nee!

Der Bus kommt, natürlich lasse ich den beiden Ladys den Vortritt. Die müssen ja nicht sehen, dass meine Beine sich vorübergehend etwas langsamer krümmen. Aber das kann man ja etwas überspielen, wenn man erst mal drin ist im Bus! – „Darf ich ihnen meinen Platz anbieten?“ sagt eine von den beiden „flotten Bienen“ und steht wieder auf. „Nein danke, sehr freundlich, aber ich steige gleich wieder aus.“ – Oh nee, und wenn ich jetzt gestorben wäre, niemals hätte ich diesen Platz besetzt. Das wär´ ja auch alles nicht so schlimm, wenn meine andauernden Rückenschmerzen nicht wären! Verdammt, warum habe ich auch meinen Handstock zu Hause gelassen? Das ist immer Giselas Schuld! Die hat nicht aufgepasst, als ich ging! – Na gut, im Bus etwas weiter nach hinten durch gehangelt. Das nächste Angebot: „Möchten sie hier sitzen? Ich steige gleich aus.“ „Nö danke, ich steige auch gleich aus.“ Verwechseln die mich vielleicht?

Wat is´n los heute? Sehen die denn nicht, wer ich bin? Ach nee, Sean Connery starb ja bereits im letzten Jahr! Den muss ich mir wohl abschminken. Aber wieso will denn niemand im Bus mehr sitzen? Muss wohl am Wetter liegen! – Hin zu meiner „Lieblings-Mopo-Frau“ auf der Haltestellen-Insel und ´ne Mopo gekauft. Smalltalk gemacht – natürlich mit jung-dynamischem Eindruck oder so ähnlich und denn rein ins Center zu Allwörden, um einen Kaffee und ´n Franzbrötchen zu genießen und meine Mopo zu lesen. „Soll ich Ihnen den Kaffee an Ihren Platz bringen?“ „Nö, nö, danke, das kann ich selbst“. Oh mannomann, was haben die Leute denn bloß für´n Eindruck von mir? Oder liegt da ´ne Verwechselung vor? Während zwar fast alle Typen um mich herum auf ihren Handys rumdatteln, liebe ich es, in meiner Mopo Sudokus zu lösen. Wie soll ich denn auch mit ´nem Handy nach ´ner Fliege klatschen, die von meinem Franzbrötchen naschen will? Das geht doch nur mit ´ner richtigen Zeitung! – Oder sind Zeitungsleser etwa alte Leute? Und einige von den jüngeren Typen sehen mich auch immer so seltsam an, wenn ich meine Taschenuhr ziehe, um nach der Zeit zu sehen!?! Versteh´ich nicht!

Na gut, als ich alles erledigt hatte, nahm ich den nächsten 184er und fuhr wieder nach Hause. Der Bus war recht leer, weshalb ich mir auch einen bequemen Sitzplatz aussuchen konnte. Zu Hause angekommen, schleppte ich erst einmal den riesigen Packen Post auf den Tisch. – Obenauf lag der Bescheid des Versorgungsamtes, dass rückwirkend ab dem 30. 8. 21 mein Grad der Behinderung 50 betragen würde! Behinderten-Ausweis kommt in spätestens drei Wochen. Da fehlt bloß noch ´n Passbild, dass unser Basti gleich gesendet hat. Danke Basti! – So kann mich nun wenigstens niemand mehr verwechseln! – Ärgerlich ist dabei bloß, dass ich immer noch nicht auf einem Behinderten-Parkplatz parken darf. Na ja, wird vielleicht noch. – –

Allns kloar?

Tschüs, HUS

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