Am 24. November fand die Infoveranstaltung zur Flüchtlingssituation in der Erstaufnahme im ehemaligen Praktiker-Baumarkt am Hörgensweg statt. Die Aula des Gymnasiums Dörpsweg war voll besetzt. Aus Verwaltung und Politik waren zahlreiche Vertreter erschienen. Viele engagierte Eidelstedter nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren und ihre persönliche Meinung zu äußern. Sehr berührend war die Anmerkung einer Teilnehmerin, dass wir uns der Gnade bewusst werden sollten, hier in Sicherheit und Freiheit zu leben und darum die Pflicht hätten, weniger Glücklichen beizustehen. Die Anwesenden nahmen dieses emotionale Statement mit herzlichem Applaus auf.
Die Fragen aus dem Publikum betrafen zunächst Probleme der medizinischen Versorgung und der Sicherheit in der ZEA (zentrale Erstaufnahme). Kritische und besorgte Fragen nach der Planung von Folgeeinrichtungen rückten aber bald in den Vordergrund. „Wie viele Menschen werden zukünftig in festen Unterkünften bei uns leben? Wie soll Integration gelingen? Wie viele Kitas sind in Planung? Wie viele Grundschulen?“, wollte ein Teilnehmer wissen.
Am 3. Oktober wurde der ehemalige Praktiker-Baumarkt als Notunterkunft für Geflüchtete in Betrieb genommen. Für die Eidelstedter kam diese Maßnahme überraschend. Bezirksamtsleiter Dr. Thorsten Sevecke begründete diese plötzliche Entscheidung mit der Notwendigkeit, unter großem Zeitdruck für sehr viele Menschen eine Unterkunft schaffen zu müssen. Im Oktober letzten Jahres waren es bereits 2.800 Flüchtlinge, für die eine Unterbringung gefunden werden musste. Die Halle am Hörgensweg wurde an nur einem Wochenende mit Hilfe des THW hergerichtet. Die Räume sind mit rund 700 Menschen voll belegt. Es gibt eine Fluktuation von rund 100 Geflüchteten pro Tag.
Zum Thema Sicherheit berichtete Sevecke, die Zahl von Polizeieinsätzen hätte zugenommen. Es gäbe aber nur einen gravierenden Vorfall, der allerdings von hoher medialer Aufmerksamkeit begleitet war. Insgesamt sei jedoch keine dramatische Veränderung zu beobachten. Die Situation sei angespannt, was angesichts der Wohnsituation nicht verwunderlich sei. Die Ausstattung der Polizei sei auskömmlich. Auf die Frage, wie hoch der Anteil der nicht registrierten Flüchtlinge ist, verwies Karen Jäger, Leiterin ZKF, auf 103 Personen, die statistisch unter Sonstige (Herkunftsland nicht bekannt) geführt werden. „Die Menschen sind nicht gezwungen, auf ihrer Flucht Papiere mitzuführen“, so Jäger. Mehrmals hakten Teilnehmer zu diesem Punkt nach. Auf nachträgliche Anfrage erklärte die Pressestelle von fördern&wohnen, dass die Ausländerbehörde mit mobilen Registrierungsteams in die Standorte kommt. Die Sozialarbeiter vor Ort benachrichtigen alle nicht Registrierten entsprechend. Die Flüchtlinge haben ein großes Interesse daran, registriert zu werden, weil erst danach das Asylverfahren in Gang kommt.
Der ehemalige Praktiker-Markt wird voraussichtlich nur noch bis zum ersten Quartal 2016 als Unterkunft genutzt. Die Pressestelle des Bezirksamts erklärt dazu, dass derzeit geprüft wird, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich für die Fläche westlich der AKN am Hörgensweg (Luserke-Gelände) für den Wohnungsbau eröffnen. Laut Bezirksamt sollen dort auch Wohnungen für Geflüchtete entstehen.
Die Zukunft des noch als Gewerbegebiet ausgewiesenen Luserke-Geländes war für viele Teilnehmer ein ganz wichtiger Punkt. „Der Hörgensweg ist bereits vorbelastet. Jetzt leben dort zusätzlich 800 Menschen in der Notunterkunft. Wenn das Luserke-Gelände bebaut würde, wäre mit 4.000 Menschen zu rechnen. Stimmt das? Ist das vertretbar? Flächennutzung, ohne in die Zukunft zu schauen?“, so ein Teilnehmer. Sevecke entgegnete, dass in
Stadtteilen mit der höchsten Integrationskraft gebaut würde. Genannt wurden Stellingen, Schnelsen, Eidelstedt und Niendorf: „Wir bauen da, wo Platz ist,“ sagte Sevecke. Das mochten einige Gäste so nicht hinnehmen. „Wir werden uns wehren“, kündigte eine Teilnehmerin an. Ihre Anwälte würden einen Baustopp erwirken, sollten am Hörgensweg für 4.000 Flüchtlinge Wohnungen entstehen. Sie forderte eine Reduzierung der Anzahl, um einer Ghettobildung vorzubeugen.
Gesucht: Kluge Lösungen unter Zeitdruck. Dr. Torsten Sevecke steht vor einer schweren Aufgabe.
Die Zahl 4.000 wurde von der Pressestelle des Bezirksamts nicht bestätigt. Weiterhin war zu erfahren, dass grundsätzlich jeder Bezirk zusätzlich 800 Wohnungen für Flüchtlinge schaffen muss. Eimsbüttel möchte diese Zahl auf mehrere Standorte verteilen und hat zwei Flächen benannt. Unabhängig von der Anzahl der Wohnungen ist es der Wunsch des Bezirks, am Hörgensweg Wohnraum für alle zu schaffen, nicht nur für Flüchtlinge. Mögliche Anpassungen an der sozialen Infrastruktur werden in Absprache mit sozialen Trägern, wenn erforderlich, vorgenommen. Einer Ghettobildung wird das Bezirksamt entgegen wirken.
Die zweite benannte Fläche am Duvenacker an der A7 thematisierte ein weiterer Teilnehmer: „Hundert Wohneinheiten tun uns nicht weh. Aber bleibt es dabei?“ Er bat um moderate Bebauung, damit Integration möglich ist und verlangte eine rechtzeitige Infoveranstaltung zur geplanten Bebauung. Sevecke sagte dies zu. Den Schlusspunkt setzte eine Teilnehmerin mit ihrer Kritik an der Art und Weise der Veranstaltung: „Hier findet keine Diskussion statt. Sie wollen die Flüchtlinge unterbringen. Egal, ob wir wollen oder nicht. Fertig. Aus.“ Sie forderte eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen am Standort, um eine bessere Integration zu ermöglichen. Die Presse-telle des Bezirksamts bestätigte, dass Veranstaltungen zur Fläche am Hörgensweg (Luserke-Gelände) und am Duvenacker mit detaillierten Informationen Anfang nächsten Jahres stattfinden werden.
Ursula Kleinfeld
Hintergrundinformationen
Informieren Sie sich:
Anträge der SPD und GRÜNEN-Bürgerschaftsfraktionen vom 9.12.15, Ergänzung zur Drucksache 21/1838 „Aufstockung der Wohnungsbauförderung: Wohnunterkünfte zu neuen Quartieren in guter Nachbarschaft entwickeln – 25 Punkte für eine gelingende Integration vor Ort“.
und „Mehr Rechtssicherheit bei der Genehmigung und Errichtung von Flüchtlingsunterkünften – § 246 BauGB für „Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen“ ausschöpfen“.